
Neulich im Geschäft
von Janet-Madlen Böll
Die mobile Funkfußfessel
Eines Freitags war ich zu einer Mobilfunk-Abendveranstaltung eingeladen. Mein Tag war perfekt durchgetaktet, was damit begann, dass ich schon morgens mein Kleid und alles Wesentliche für das Event zurechtgelegt hatte. Es fehlten nur noch die Schuhe. Angemessen früh verließ ich am späten Nachmittag meinen Arbeitsplatz, um mir auf dem Heimweg noch dieses wirklich spektakuläre Paar Stiefeletten, dass ich schon einige Tage vorher im Geschäft gesehen hatte, für den Abend zu kaufen. In schickem Braun mit schwindelhohem Absatz. Ja, vielen Dank für den Einwand aller pragmatischen Klugscheißer-Frauen: Neue Schuhe sollte man erst einmal einlaufen, bevor sie zum großen Auftritt ausgeführt werden. Hat mir schon meine Mama beigebracht. Aber ich wusste, ich würde weitgehend sitzen. Also schien es kein Problem zu geben. Im Geschäft jonglierte eine umsichtige Verkäuferin kompetent mit den Wünschen von mindestens 5 Kundinnen und ich beschloss zwischenzeitlich mir selbst zu helfen und fand die Stiefeletten in meiner Größe in der Dekoration. Ich hatte auch genug Zeit eingeplant, sodass ich in Ruhe auf und abgehen und die Passform gründlich prüfen konnte. Alles ganz entspannt, ohne Stress und quasi sogar fix und fertig eingelaufen. Und der Herr an der Kasse war auch zu Späßen aufgelegt. Immer noch im Zeitplan kam ich zu Hause an und hatte eine halbe Stunde bis ich wieder abfahren musste. Das sollte reichen. 15 Minuten später war ich dann fertig geschminkt und onduliert, hatte mein Kleid und Strümpfe an. Letzter Kontrollblick in den Spiegel und los. Fassungslos starrte ich auf meine neuen Stiefeletten, als ich sie aus dem Karton nahm. In meinem Kopf und Zeitplan war kein Platz mehr für eine Lösung…
Weiterlesen auf dem im KINDL:
Gehe neulich mit einer Freundin durch eine Berliner Seitenstraße.
Sitzen vier weitgehend Erwachsene auf dem Boden im Rinnstein und sind mit ihren Handys beschäftigt. Sechs weitere stehen an der Hauswand und sind ebenso Smartphone orientiert. Ich laufe verwundert durch dieses Spalier. Wenn man mal im Wedding gewohnt hat, überlegt man sich das genau, ob man durch, auf der Straße rumlungernde Gruppen geht…
„Was sonst“, lautet die fröhliche Antwort aus der Gruppe auf die Fragen meiner Freundin in die Runde:
„Pokémon?“
Ich habe noch eine unveröffentlichte Geschichte für Euch, die nicht im Buch steht:
Frau Müller-L. und Herr Dr. Klöbner
Einige Kunden stehen im Geschäft an. Herr Dr. Klöbner, der soeben hereingekommen ist, geht zielstrebig zum Tresen, legt eine Handytasche, die er kaufen möchte, auf den Tresen und fragt den Kunden neben ihm:
„Darf ich mal eben vor, mein Bus kommt gleich.“
Kunde: „Ja, ok.“
Frau Müller-L., die als zweite in der Reihe steht: „Nein, nicht o.k., mein Bus kommt auch gleich.“
Die Mobilfunkfachverkäuferin möchte mal wieder einwerfen, dass die Busse hier alle 10 Minuten kommen.
Hr. Dr. Klöbner: „Aber ich bin schwerbeschädigt.“
Fr. Müller-L.: „Ach, ich bin auch schwebehindert.“
Hr. Dr. Klöbner: „Dann können Sie sich ja sicher ausweisen.“
Fr. Müller-L.: „Ja gerne, ich bin Ihnen zwar keine Rechenschaft schuldig, aber Sie sollten doch auch wissen, dass dieser Ausweis eine Schwerbehinderung bestätigt und keine Schwerbeschädigung. Und keinesfalls zur Inanspruchnahme von Unhöflichkeiten, wie Vordrängeln und Intoleranz berechtigt.“
An der Bushaltestelle vor dem Geschäft treffen sich dann die beiden Kunden wieder, nachdem sie beide den Bus verpasst haben. Beim Eintreffen des Busses, 10 Minuten später, lässt sich Fr. Müller-L. nicht von dem erneuten Versuch von Herrn Dr. Klöbner vorzudrängeln einschüchtern -„Nicht mit mir!“- steigt zuerst in den Bus und ergattert den letzten Sitzplatz.
Ich bin froh, dass Die beiden rüstigen Rentner ihr Nachteilausgleichsduell nicht auch noch um die Prozente Ihres festgestellten Behinderungsgrades in meinem Geschäft ausgetragen haben. „Aber ich hab mehr Prozente als Sie…“
Ente gut, alles gut.
#storyteller2016